Welthunger

Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren.
57.000 Menschen sterben am Tag an Hunger. Und eine Milliarde von den sieben Milliarden Menschen sind permanent schwerstens unterernährt. Und das auf einem Planeten, der vor Reichtum überquillt. Derselbe World Food Report, der die Opferzahlen gibt, sagt, dass die Weltlandwirtschaft problemlos normal zwölf Milliarden Menschen ernähren könnte. Heute gibt es auf dieser Welt keinen objektiven Mangel mehr, keine Fatalität.“1

Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.“2

Jean Ziegler, der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, ist bekannt für seine schonungslos vorgetragenen Aussagen. Er sieht das Welternährungsproblem in erster Linie als Folge ungerechter Verteilung an, jedoch sollte man dieser Annahme hinzufügen, dass der globale Wassermangel, Bodenerosionen3 und die fortschreitende Desertifikation4 nicht helfen die Situation zu verbessern.5

Die Sorge um täglich zehntausende sterbende Menschen infolge von unzureichender Trinkwasser- und Nahrungsmittelversorgung ist kein Phänomen, welches lediglich von Veganer_innen wahrgenommen wird. Jedoch ist es für viele Veganer_innen ein weiteres Argument, weswegen der Veganismus als Lösungsansatz für weit mehr als einen gewaltfreien Umgang mit Tieren dient.

Ebenso wie Ziegler sieht auch Schlatzer das Verteilungsproblem als grundsätzliches Übel an und verweist darauf, dass sowohl Fehl- als auch Unterernährung das Resultat eines ungleichen Zugangs bzw. einer ungerechten Verteilung sind und nicht aufgrund mangelnder Produktion existieren. Das rasante Anwachsen der Tierhaltung sorgt für weltweite Konkurrenz um Land und Ressourcen, bei der am Ende die überlebenswichtigen Grundnahrungsmittel wie etwa Getreide einer massiven Teuerungsrate unterliegen.6 Diese Umstände führen letztlich zu einer Verschärfung der weltweiten Ernährungsproblematiken, wobei die vielschichtigen Zusammenhänge unter der Berücksichtigung der ökologischen und ökonomischen Folgen des Konsums tierlicher Produkte erst bei einer solch genaueren Betrachtung zum Vorschein kommen.

Die „Food and Agriculture Organization of The United Nations“ (FAO) prognostiziert die Verdoppelung des weltweiten Fleischkonsums innerhalb von 80 Jahren. Verspeiste jeder Mensch im Jahre 1970 noch durchschnittlich 26,1kg Fleisch, so werden es 2050 52kg sein. Auch der Konsum von Milchprodukten wird sich im gleichen Zeitraum von knapp 75 auf 100kg pro Person erhöhen. Sorge bereitet den Wissenschaftler_innen in erster Linie der sich in den sogenannten Schwellenländern und ehemaligen Entwicklungsländern abzeichnende Trend hin zum Fleischkonsum, der durch erhöhte Lebensstandards erreicht wird. Wo früher Fleisch als Luxusgut galt, wird es zunehmend auch in vormals ärmeren Staaten zum Massenprodukt.7 Der unkritische Umgang mit Nahrungsmitteln und die massive Verschwendung von ökologischen und ökonomischen Ressourcen ist zu hinterfragen und nicht zu verantworten.

Es lässt sich jedoch feststellen, dass sich in jüngerer Zeit die mediale Aufmerksamkeit bezüglich dieser Thematik stark erhöht hat. Jüngst hat das Umweltbundesamt in einem Positionspapier zur Land- und Biomassenutzung einen umweltverträglichen und sozial gerechteren Umgang mit globalen Ressourcen unter besonderer Berücksichtigung der weltweiten Ernährungssicherheit angemahnt und rät zu einer Reduzierung des Fleischkonsums innerhalb der Industrieländer, um die Welthungerproblematik zu entschärfen.8 Der „Welternährungstag“ oder auch „Welthungertag“ am 16. Oktober eines jeden Jahres sorgt dafür, dass sich die Medien verstärkt mit den Zusammenhängen der Ernährungsproblematiken beschäftigen und somit eine breite Öffentlichkeit mit dem Thema konfrontiert wird.9 Jedoch gilt es zu erwähnen, dass es auch schon zu früheren Zeiten Artikel und Veröffentlichungen über die Zusammenhänge des Welthungers gegeben hat. Beispielsweise brachte DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 49/1987 einen Artikel mit dem Titel Das Vieh der Reichen frisst das Brot der Armen10. Auf die verstörend wirkenden Umstände des Imports von Fleisch und Futtermitteln in Höhe von umgerechnet 1,5 Millionen Euro aus dem von einer Hungertragödie heimgesuchten Äthiopien durch Großbritannien im Jahre 1984 wies die Zeitschrift Der Vegetarier in einer Buchbesprechung in seiner Ausgabe 3/1988 hin.11

Der ehemalige Vizepräsident der Citibank, Philip Wollen12, argumentierte in seinem Vortrag Animals should be off the menue bei der ersten Ethik-Debatte des australischen „Intelligence Squared“, einem Diskussionsforum, für die Notwendigkeit, keine Tierprodukte mehr zu konsumieren.

Wenn ich um die Welt reise, sehe ich, wie arme Länder ihr Getreide an den Westen verkaufen, während ihre eigenen Kinder in ihren Armen verhungern. Und der Westen verfüttert dieses Getreide an seine ‚Nutztiere‘. Nur damit wir ein Steak essen können? Bin ich denn der Einzige, der sieht, dass das ein Verbrechen ist? Glauben Sie mir, jedes Stück Fleisch, das wir essen, ist ein Schlag in das verweinte Gesicht eines hungrigen Kindes. Wenn ich diesem Kind in die Augen blicke, wie kann ich dann noch schweigen? Die Erde kann genug Nahrung produzieren, um die Bedürfnisse aller Menschen, nicht jedoch die Gier aller Menschen zu befriedigen.“

1 Ziegler, 2011, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1926598/ (Abruf: 07. Dezember 2012, 16:36 Uhr)

2 Zieglers Zitat ist zu sehen im Dokumentarfilm „We feed the world“, http://www.youtube.com/watch?v=qBaq9rSXjKg (Abruf: 07. Januar 2013, 20:10 Uhr)

3 Durch die Einwirkung von Wind, Witterung sowie von Mensch und Tier auf den Boden wird Erdreich im Laufe der Zeit abgetragen.

4 Desertifikation = Ausbreitung von Wüsten

5 Vgl. Hirschfelder, 2011, S. 23

6 Vgl. Schlatzer, 2011, S. 135

7 Vgl. Schlatzer, 2011, S. 46 ff.

8 Vgl. „Globale Landflächen und Biomasse nachhaltig und ressourcenschonend nutzen“, http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/4321.html (Abruf: 11. Dezember 2012, 10:45 Uhr)

9 Eine einfach Suche mittels der Internet-Suchmaschine „google“ zum Stichwort „Welternährungstag“ liefert eine Fülle von Artikeln, die sich in den letzten Jahren in den gängigen Printmedien, aber auch im Radio und Fernsehen finden ließen.

10 Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13527742.html (Abruf: 12. Dezember 2012, 13:46 Uhr)

11 Quelle: http://www.vebu.de/alt/nv/dv/dv_1988_3__Gesund_+_fit_ohne_Fleisch_-_Ein_Plaedoyer_fuer_die_vegetarische_Ernaehrung,_Peter_Cox,_Rezi.htm (Abruf: 12. Dezember 2012, 14:48 Uhr)

12 Wollen wurde im Alter von 34 Jahren vom australischen Magazin für Wirtschaft in die Liste der 40 einflussreichsten Führungskräfte aufgenommen. Im Alter von 40 Jahren änderte er sein Leben völlig, da er seinen Beitrag gegen die Verbrechen an Tieren, Menschen und Umwelt leisten wollte. Er beschloss, alles, was er besaß, zu verschenken und widmet sein Leben heute Kindern, Tieren, der Umwelt, Obdachlosen und unheilbar Kranken. Er unterstützt 500 humanitäre Projekte und setzt sich für eine vegane Lebensweise ein. Im Jahr 2005 erhielt er den „Order of Australia“ als Würdigung für außerordentliche Dienste. Im Jahr 2007 wurde er in Victoria zum „Australier des Jahres“ gekürt. Quelle: http://www.wissensmanufaktur.net/philip-wollen (Abruf: 12. Dezember 2012, 19:57 Uhr)